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SÜSSWEIN
Reife Trauben schmecken süß. Aber wie kommt die Süße in den Wein? Wenn die Trauben im Herbst möglichst lange am Weinstock hängen, wird der natürliche Zucker in den Beeren konzentriert.
Bei Spätlesen und Auslesen geschieht diese Konzentration meist ohne „Fremdeinwirkung“, während bei den höheren Prädikatsweinstufen eine „wundersame“ Veränderung in den Beeren zu beobachten ist. Wenn reife Weißweinbeeren unter günstigen Bedingungen vom Pilz Botrytis cinerea befallen werden, entwickelt sich die so genannte Edelfäule. Das Wachstum des Pilzes muss durch feuchte Luft gefördert werden, gleichzeitig soll das Wasser aus den Beeren verdunsten. Dies trifft vor allem dort zusammen, wo im Herbst nach Frühnebel warme, trockene Tage folgen – beispielsweise im pannonischen Raum rund um den Neusiedler See, der durch seine große Wasserfläche eine ausgleichende Wirkung hat. Zunächst bilden sich einzelne „Botrytis- Nester“ in den noch gesunden Trauben, dann werden immer mehr Beeren befallen. Der Pilz durchdringt die Beerenhäute, nährt sich von der Flüssigkeit und durch die Löcher verdunstet Wasser, sodass nach einiger Zeit der Großteil der Beeren rosinenartig einschrumpft. Die verbleibenden Inhaltsstoffe wie Zucker, Säure und Extrakt werden sehr stark konzentriert.
Bei der Ernte ist besondere Sorgfalt notwendig, meist muss im Weingarten in mehreren Lesedurchgängen selektiert werden, um das gewünschte Ausgangsmaterial für die Qualitätskategorien Beerenauslese, Ausbruch oder Trockenbeerenauslese zu gewinnen. Je höher die Mostgradation und somit der natürliche Zuckergehalt im Most ist, desto schwieriger wird es für die Hefen, den Zucker in Alkohol umzuwandeln, sodass die Gärung mehrere Monate dauern kann. Die große Mühe wird reich belohnt: Die Weine verführen mit einzigartigem Duft und Geschmack. Das Wunder der Botrytis zaubert Honignoten, Trockenfrucht, exotische und „weihnachtliche“ Aromen hervor.
Die Spezialform des Ausbruchs ist in der historischen Freistadt Rust am Westufer des Neusiedler Sees zu Hause. Dieser Wein hat eine sehr alte Tradition, denn er wurde bereits Mitte des 16. Jahrhunderts nachweislich erzeugt. Im Jahre 1681 vollzog der Reichstag von Ödenburg mit der Urkunde vom 3. Dezember die Erhebung des Marktes Rust zur königlichen Freistadt. Dafür mussten die Ruster Bürger an Kaiser Leopold I. (1640-1705) in „echtem und flüssigem Gold“ bezahlen, nämlich die ungeheure Summe von 60.000 Gulden und die gesamte Jahresernte von 500 Eimern (das sind 30.000 Liter) Ruster Ausbruch. Diese traditionellen Süßweine fanden ihren Weg an die Fürstenhöfe Europas bis nach St. Petersburg. Heute erleben sie in moderner Form eine erfreuliche Renaissance.
Für Weine mit dem Prädikat Spätlese werden die Trauben nach der regulären Weinlese am Rebstock belassen, bis sie ein Maximum an Süße erreicht haben. Erst dann werden sie geerntet und weiterverarbeitet. Das Hinzufügen von Zucker oder Traubensaft zum Most ist bei allen Prädikatsstufen streng verboten.
Die Trauben, die für Weine der Prädikatsstufe Auslese geerntet werden, müssen einen so hohen Zuckergehalt aufweisen, dass der Winzer die reifsten herauspicken und einzeln ernten muss. Das ist nicht nur zeitaufwändig, sondern zwingt ihn auch zur Handarbeit; Maschinen können diese Auswahl (noch) nicht für ihn übernehmen.
Die positiven Effekte des Edelpilzes Botrytis cinerea spielen hier schon eine Rolle: Befällt die Edelfäule die Beerenhaut gesunder und reifer Trauben, wird diese durchlässig, sodass das Wasser in den Beeren noch am Rebstock verdampfen kann und sie rosinenartig zusammenschrumpeln. Was übrig bleibt, ist enorm konzentriert. Diese Entwicklung setzt aber ganz besondere mikroklimatische Bedingungen voraus, die nur selten vorkommen. Zum Beispiel am Neusiedler See, wo die feuchten Morgennebel den Befall der Beeren begünstigen und die hohen Temperaturen tagsüber das Wasser verdampfen lassen. Die Aromen, die dabei entstehen, reichen von Honig bis hin zu Tropenfrüchten.
Das Prädikat Beerenauslese liegt zwischen Auslese und Trockenbeerenauslese. Spätestens ab dieser Prädikatsstufe reicht es nicht mehr aus, die Trauben voll ausreifen zu lassen und einzeln zu ernten. Der Winzer muss jeden Rebstock nach einzelnen Beeren absuchen, die bereits überreif und/oder von Edelfäule befallen sind und in denen schon ein Teil des Wassers verdampft ist. Diese konzentrierten Beeren bilden die Basis für die Beerenauslese.
Beerenauslesen sind mit ihrem geringeren Restzucker in der Regel früher zugänglich als Trockenbeerenauslesen, können aber dennoch mehrere Jahre im Keller reifen. In Österreich sind fast alle Beerenauslesen auf das Herkunftsgebiet rund um den Neusiedler See beschränkt und dementsprechend rar und gesucht.
Trockenbeerenauslesen repräsentieren in Österreich und Deutschland die Spitze der Prädikatsweine. Die Beeren, die für diese Weine geerntet werden, sind größtenteils von Botrytis befallen und fast vollständig eingeschrumpft. Der konzentrierte, ölige Saft, der aus ihnen gewonnen wird, ist extrem extraktreich und süß und muss, um die Süße auszubalancieren, auch intensive Säure aufweisen.
Da solche Weine nur an wenigen Orten der Welt entstehen und winzerseitig viel Können, Wissen und Zeit voraussetzen, sind die Namen der Hersteller von Trockenbeerenauslesen in der Regel bekannt und etabliert und ihre Produkte oft mit den höchsten Auszeichnungen versehen.
Eiswein entsteht, wenn vollreife Trauben auf der Rebe einfrieren und noch im gefrorenen Zustand geerntet und gepresst werden. Dafür sind Temperaturen von etwa -7° Celsius nötig. Beim Pressvorgang bleibt das gefrorene Wasser in der Beere zurück, wodurch der Most extrem konzentriert und reich an Zucker, Säure und Extraktstoffen ist.
Ruster Ausbruch ist eine Spezialität unter den Spezialitäten. Exklusiv für den kleinen Ort am Neusiedler See wurde ein eigenes Prädikat geschaffen, für das dieselben harten Kriterien gelten wie für andere Trockenbeerenauslesen auch und das darüber hinaus signalisiert, dass hier fruchtige Finesse gegenüber der Opulenz im Vordergrund steht.
Der Name kommt von den einzelnen, von der Edelfäule Botrytis cinerea befallenen Weinbeeren, die händisch ausgebrochen werden. Die Erträge sind bewusst niedrig gehalten. Dem Verein Cercle Ruster Ausbruch gehören gerade einmal 10 Mitglieder an. Das erste schriftliche Dokument, das den Ruster Ausbruch erwähnt, stammt aus dem Jahr 1634.
Spätlese
Mindestmostgewicht 19° KMW, aus vollreifen Trauben
Auslese
Mindestmostgewicht 21° KMW, eine Spätlese aus sorgfältig ausgelesenen Trauben
Beerenauslese
Mindestmostgewicht 25° KMW, aus überreifen und/oder edelfaulen Beeren
Trockenbeerenauslese
Mindestmostgewicht 30° KMW, Beerenauslese aus größtenteils edelfaulen, weitgehend eingeschrumpften Beeren.
Eiswein
Mindestmostgewicht 25° KMW, aus Trauben, die bei der Lese und bei der Kelterung gefroren waren.
Strohwein
Strohwein oder Schilfwein ist Wein aus vollreifen und zuckerreichen Beeren, die vor der Kelterung mindestens drei Monate auf Stroh oder Schilf gelagert oder an Schnüren aufgehängt waren und deren Saft ein Mostgewicht von mindestens 25° KMW aufgewiesen hat. Weist der Saft bereits nach mindestens zwei Monaten Lagerung ein Mostgewicht von 30° KMW oder mehr auf, so kann bereits zu diesem Zeitpunkt die Kelterung vorgenommen werden.
[Quelle & Fotos: Österreich Wein, Wein & Co, Iss-Xund!]
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